Rund 8.000 Binnenschiffe sind es, die derzeit Güter über Europas Flüsse und Kanäle transportieren. Die ersten von ihnen verkehren inzwischen ferngesteuert. Ein Thema, dem viele Sportschiffer mit Skepsis begegnen. Wer sich detailierter über dieses informieren will, hat auf der Messe XPONENTIAL Europe vom 18. bis zum 20. Februar jetzt Gelegenheit dazu.
Ein bundesweites Zentrum zur autonomen Binnenschifffahrt ist Duisburg. Dort ist das DST als Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme federführend beim Projekt „FernBin“ für ferngesteuertes, koordiniertes Fahren in der Binnenschifffahrt.
Zur XPONENTIAL Europe kommt das DST mit großem Gepäck: „ELLA“, 15 Meter lang, die derzeit im autonomen Schiffsverkehr getestet wird, wird auf der Messe in Düsseldorf vom 18. bis 20. Februar 2025 zu sehen sein.
High-Tech auf der Brücke
Die Brücke, auf der Stephan Schweig sitzt, wirkt so, als säße er an Bord eines Raumschiffs. An der Decke im „Versuchs- und Leistungszentrum Autonome Binnenschiffe“ (VeLABi) hängt ein zylinderförmiges 360°-Projektionssystem mit acht Meter Durchmesser. Insgesamt 19 Projektoren zeigen dem wissenschaftlichen Mitarbeiter am DST-Forschungsinstitut, wo es lang geht. Heute ist es ein „Heimspiel“: der Vinckekanal, der den Rhein mit dem Ruhrorter Freihafengelände verbindet und quasi direkt vor der Haustür der Geschäftsstelle des Deutschen Motoryachtverbands liegt. Eine Teststrecke im Besitz der duisport Gruppe. Sie betreibt Europas größten Binnenhafen. Vom DST wird der Vinckekanal regelmäßig für Testfahrten genutzt.
Stephan Schweig kennt die 105 Meter lange „Ernst Kramer“, die er virtuell steuert, inzwischen gut. Der reale Frachter, 1974 in Bodenwerder gebaut, wurde von der Reederei Rhenus PartnerShip als Forschungsschiff im Rahmen des Projektes FernBin zur Verfügung gestellt und entsprechend „frisiert“. Er spricht von „retrofit“, was wichtig sei, weil es zeige, dass auch Binnenschiffe aus dem Bestand – die meisten sind 30 bis 50 Jahre alt – zur Fernsteuerung geeignet sind. Entsprechend wurde die Ernst Kramer umgerüstet. Damit er remote auf Hauptmaschine, Ruder, Bugstrahler sowie das Funk- und Radargerät zugreifen kann, wurden analoge Prozesse ersetzt. Heute verfügt das Schiff über diverse Kameras, Lidar-Sensoren, hochgenaue GNSS-Antennen und die entsprechende Mobilfunktechnik für die schnelle, sichere und redundante Übertragung großer Datenmengen. Mit ihnen werden die bordeigenen Navigations- und Steuerdaten übertragen. Dazu gehören neben den Betriebsdaten der Maschinen- und Ruderanlagen auch die beiden Radarsysteme und die elektronische Kartenanzeige inklusive der Daten des Schifffahrts-Kommunikationssystems AIS. Daten, die am Fernsteuerstand in Echtzeit aufbereitet und angezeigt werden.
Zur sicheren ferngesteuerten Schiffsführung wurden unter anderem moderne und bereits erprobte Fahrerassistenzsysteme eingesetzt, eigene Assistenzsysteme entwickelt und bestehende erweitert. Eines davon ist der ArgoTrackPilot der Argonics GmbH. Das Unternehmen aus Stuttgart-Vaihingen ist ein Marktführer, „made in Germany“, auf dem Gebiet der automatisierten Bahnführung. Mit dem ArgoTrackPilot, der inzwischen bei einer Reihe von Binnenschiffen eingesetzt wird, bleiben Schiffe auf Spur, entlang der vorgegebenen Leitlinie.